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Lichtblick Nr. 5 (November 2000)

Widerstand - Wie man Ein Kurs in Wundern studiert, ohne ihn wirklich zu lernen

Gloria und Kenneth Wapnick

Obwohl der Begriff Widerstand in Ein Kurs in Wundern nicht allzu häufig vorkommt, spielt er dennoch eine Schlüsselrolle innerhalb des Prozesses, in dem Schüler die – das Denken verändernden – Lektionen der Vergebung lernen, welche die zentrale Lehre des Kurses bilden. Es ist in der Tat der einzige Begriff, der eine befriedigende Erklärung für ein Phänomen bietet, dem die meisten (wenn nicht sogar alle) Kursschüler an irgendeinem Punkt in ihrer Arbeit mit dem Kurs begegnen. Es handelt sich um das vermeintliche Paradox, einerseits bewusst und ganz aufrichtig zu versuchen, die Grundsätze des Kurses unter der Führung Jesu oder des Heiligen Geistes zu erlernen, zu leben und zu praktizieren, während man andererseits die ständige Frustration erlebt, genau das nicht zu tun. Die meisten Menschen auf dem spirituellen Weg kennen die berühmten Worte des Apostels Paulus, der aus demselben Gefühl der Frustration heraus ausrief: »Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich« (Röm 7,19). Der folgende Artikel behandelt das Problem des Widerstands in den Bemühungen der Schüler des Kurses, seine Prinzipien der Vergebung, wie sie von ihrem inneren Lehrer, dem Heiligen Geist, gelehrt werden, in die Tat umzusetzen.

Wie es auch für so viele andere Bereiche in Ein Kurs in Wundern gilt, die den Prozess der Heilung berühren, bietet uns das Werk Sigmund Freuds zahlreiche Parallelen, die verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Dynamik des Problems und seiner Lösung zu verstehen. Schon in den Anfängen seiner psychoanalytischen Arbeit stellte Freud fest, dass seine Patienten nicht gesund wurden trotz der Einsichten, die er ihnen, was den Grund ihrer Neurose anging, zuteil werden ließ. Schließlich ging ihm auf, dass das Problem darin lag, dass die Patienten nicht gesund werden wollten, wofür er den Begriff Widerstand prägte:

… so setzte sich mir der [therapeutische] Sachverhalt ohne weiteres in die Theorie um, dass ich durch meine psychische [psychologische] Arbeit eine psychische Kraft bei dem Patienten zu überwinden habe, die sich dem Bewusstwerden (Erinnern) der pathogenen Vorstellungen widersetzt … (»Studien über Hysterie«, mit J. Breuer, 1893, Gesammelte Werke, Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1967, Bd. I, S. 268).

Diese Überwindungsarbeit [der Widerstände] ist die wesentliche Leistung der analytischen Kur (»Vorlesungen zur Einführung über Psychoanalyse «, 1917, Ges. Werke, Bd. XI, S. 469).

Wie Jesus uns an verschiedenen Stellen in Ein Kurs in Wundern deutlich macht, weiß er, dass wir gegenüber seinen Lehren Widerstand erleben werden. Einige dieser Stellen sollen angeführt werden, beginnend mit dem folgenden Satz aus den »Entscheidungsregeln« in Kapitel 30 des Textbuchs:

Und wenn du feststellst, dass der Widerstand stark ist und die Hingabe schwach, dann bist du nicht bereit. Bekämpfe dich nicht selbst (T-30.I.1:6-7).

Im gesamten Übungsbuch macht uns Jesus wiederholt auf unseren potentiellen Widerstand gegen die kompromisslosen Ideen aufmerksam, die er lehrt. Direkt in der Einleitung sagt er:

Es wird dir schwer fallen, manche der Gedanken, die im Übungsbuch dargelegt werden, zu glauben, andere wieder mögen dir ziemlich überraschend vorkommen. Das spielt keine Rolle … Denke nur an dies: Du brauchst die Gedanken nicht zu glauben, du brauchst sie nicht anzunehmen, du brauchst sie nicht einmal willkommen zu heißen. Einigen darunter wirst du dich vielleicht aktiv widersetzen (Ü-I.Einl.8: 1-2; 9:1-2).

Ein anderes Beispiel aus dem Übungsbuch:

Dein Geist ist nicht mehr völlig ungeschult. Du bist durchaus bereit, die Form der Übung zu erlernen, die wir heute anwenden wollen, aber es kann sein, dass du auf starken Widerstand stößt. Der Grund ist ganz einfach. Während du auf diese Art und Weise übst, lässt du alles hinter dir zurück, was du jetzt glaubst, und auch alle Gedanken, die du erfunden hast. Streng genommen ist das die Befreiung aus der Hölle. Doch mit den Augen des Ego wahrgenommen, ist es Identitätsverlust und ein Abstieg in die Hölle (Ü-I.44.5).

Im Handbuch für Lehrer begegnet uns eine ähnliche Aussage Jesu, in der er seine Schüler auf die Angst aufmerksam macht, die damit einhergeht, seine Lehren zu akzeptieren, in diesem Fall das Prinzip, dass die Ursache der Krankheit im Geist und nicht im Körper liegt:

Der Widerstand gegen diese Einsicht ist gewaltig, weil die Existenz der Welt, wie du sie wahrnimmst, davon abhängt, dass der Körper derjenige ist, der die Entscheidung trifft (H-5.II.1:7).

Der Widerstand, von dem in den oben zitierten Stellen die Rede ist, steht in direktem Zusammenhang mit der Angst, unsere persönliche Besonderheit und individuelle Einzigartigkeit zu verlieren, deren Loslassen der letzte Schritt ist, bevor wir vom Traum der Trennung erwachen können.

Widerstand – der unbewusste Versuch, das zu sabotieren, was als Einziges hilft – ist etwas so Überraschendes, dass man ihn kaum für möglich halten würde, wie Freud selbst in dem klugen, quasi platonischen Selbstgespräch in dem Aufsatz »Die Frage der Laienanalyse« feststellte, den er 1926 schrieb:

Dann ist es Ihnen bestimmt, eine Entdeckung zu machen, auf die Sie nicht vorbereitet sind.
»Die wäre?«
Dass Sie sich in Ihrem Patienten getäuscht haben, dass Sie gar nicht auf seine Mithilfe und Gefügigkeit rechnen dürfen, dass er bereit ist, der gemeinsamen Arbeit alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg zu legen, mit einem Wort: dass er überhaupt nicht gesund werden will.
»Nein, das ist das Tollste, das Sie mir bisher erzählt haben! Ich glaube es auch nicht. Der Kranke, der so schwer leidet, der so ergreifend über seine Beschwerden klagt, der so große Opfer für seine Behandlung bringt, der soll nicht gesund werden wollen! Sie meinen es auch gewiss nicht so.«
Fassen Sie sich, ich meine es. Was ich sagte, ist die Wahrheit, nicht die ganze freilich, aber ein sehr beachtenswertes Stück derselben. Der Kranke will allerdings gesund werden, aber er will es auch nicht …
Sie [die Patienten] klagen über ihre Krankheit, aber sie nützen sie nach Kräften aus, und wenn man sie ihnen nehmen will, verteidigen sie sie, wie die sprichwörtliche Löwin ihr Junges (»Die Frage der Laienanalyse«, 1926, Ges. Werke, Bd. XIV, S. 251 f.).

Dieses Phänomen, über das sich Psychoanalytiker und Psychotherapeuten so sehr im Klaren sind, wird in Erörterungen über das spirituelle Leben nicht immer erkannt. Wieso sollte es aber bei Menschen auf dem spirituellen Weg nicht ebenso da sein wie bei Patienten in psychotherapeutischer Behandlung, wenn doch das Aufheben des Denksystems von Schuld, Angst und Furcht beiden Richtungen gemeinsam ist? Und wie könnte das Aufheben dieses Widerstands nicht zu den bedeutsamsten Aspekten auf dem spirituellen Weg eines jeden zählen, wenn doch das Ego, mit dem wir uns alle identifizieren, tatsächlich das Hindernis für unseren Fortschritt bildet?

Damit wird deutlich, dass eine wichtige Komponente unseres Widerstands gegen die Lehren von Ein Kurs in Wundern unser Bedürfnis ist, zu leiden und schuldig zu sein, was Jesus in der Schrift »Psychotherapie. Zweck, Prozess und Praxis« (In: Die Ergänzungen zu Ein Kurs in Wundern) bezeichnet als »sich festzuklammern an der Schuld, sie eng zu umarmen und zu behüten, sie liebevoll zu schützen und wachsam zu verteidigen « (P-2.VI.1:3) und was Freud im folgenden Zitat »das starke Strafbedürfnis« nennt:

… der Eindruck aus der analytischen Arbeit, dass der Patient, der Widerstand leistet, so oft von diesem Widerstand nichts weiß. Aber nicht nur die Tatsache des Widerstands ist ihm unbewusst, auch die Motive desselben sind es. Wir mussten nach diesen Motiven oder diesem Motiv forschen und fanden es zu unserer Überraschung in einem starken Strafbedürfnis … Die praktische Bedeutung dieses Fundes steht hinter seiner theoretischen nicht zurück, denn dieses Strafbedürfnis ist der schlimmste Feind unserer therapeutischen Bemühungen. Es wird durch das Leiden befriedigt, das mit der Neurose verbunden ist, und hält darum am Kranksein fest … (»Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse«, 1933, Ges. Werke, Bd. XV, S. 115 f.).

[Es ist das] Krankheits- oder Leidensbedürfnis … Das Individuum soll nicht gesund werden, sondern krank bleiben … (»Abriss der Psychoanalyse «, 1940, Ges. Werke, Bd. XVII, S. 105).

Dieses Angezogensein von der Schuld in uns selbst ist ein zentraler Gedanke in den Lehren des Kurses über das Egodenksystem, denn Schuld bezeugt die scheinbare Wirklichkeit der Trennung. Die Erfahrung der Bestrafung – sei sie real oder eingebildet – rechtfertigt unseren Glauben an die Schuld und verstärkt daher die fundamentale Prämisse der Existenz des Ego. Sie loszulassen wäre letztlich gleichbedeutend damit, den Glauben an die Wirklichkeit eines persönlichen Selbst loszulassen, und daher leisten wir dagegen Widerstand, ganz zu schweigen davon, dass wir demjenigen (oder demjenigen) Widerstand leisten, der uns hilft, genau das zu tun. Jesus kommentiert dieses Phänomen unter Bezugnahme auf sein eigenes Leben:

Viele dachten, ich griffe sie an, obschon es offensichtlich war, dass ich das nicht tat. Ein wahnsinniger Schüler lernt seltsame Lektionen. Du musst etwas begreifen: Wenn du ein Denksystem nicht teilst, schwächst du es. Wer an es glaubt, nimmt dies daher als Angriff auf sich selber wahr. Jeder identifiziert sich nämlich mit seinem Denksystem, und jedes Denksystem dreht sich um das, was du zu sein glaubst (T-6.V-B.1:5-9).

Wenn wir glauben, angegriffen zu werden, fühlen wir uns natürlich gerechtfertigt, unsererseits anzugreifen, und tun es auch beinahe immer, buchstäblich zur Selbst-Verteidigung.

Das führt uns zu einer weiteren bedeutsamen Auswirkung dessen, dass ein Schüler Widerstand gegen den Kurs leistet: dem Bedürfnis, zu beweisen, dass der Kurs Unrecht hat. Hinter diesem Mechanismus steckt die Hoffnung, dass wir, wenn der Kurs sich irrt, nicht das tun müssen, was er besagt: von der Denkweise unseres Ego ablassen. Auch Freud äußerte sich in seiner richtungsweisenden Traumdeutung über dieses interessante Phänomen bei seinen Patienten: ihr Bedürfnis, nachzuweisen, dass der Analytiker Unrecht hatte:

Die eine Triebkraft dieser Träume ist der Wunsch, dass ich Unrecht haben soll. Diese Träume ereignen sich regelmäßig im Laufe meiner Behandlungen, wenn sich der Patient im Widerstand gegen mich befindet, und ich kann mit großer Sicherheit darauf rechnen, einen solchen Traum hervorzurufen, nachdem ich dem Kranken die Lehre, der Traum sei eine Wunscherfüllung, zuerst vorgetragen habe. Ja, ich darf erwarten, dass es manchem meiner Leser ebenso ergehen wird; er wird sich bereitwillig im Traume einen Wunsch versagen, um sich nur den Wunsch, dass ich Unrecht haben möge, zu erfüllen (Die Traumdeutung, 1900, Ges. Werke, Bd. II/III, S. 163).

Wenn sich diese Art Widerstand bei Schülern von Ein Kurs in Wundern zeigt, kann sie die Form annehmen, dass sie mit dem Text streiten und sich speziell auf die Form konzentrieren als Mittel, um den Inhalt auszublenden. Wer das Buch Jenseits der Glückseligkeit gelesen hat, erinnert sich vielleicht daran, wie Helen in den ersten Wochen der Niederschrift einen solchen Versuch unternahm. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, ausführlich darauf einzugehen. Möge es genügen, darauf hinzuweisen, dass Helen einen scheinbaren Grammatikfehler Jesu als Rechtfertigung dafür benutzte, die gesamten Aufzeichnungen abzulehnen. Sie schrieb:

Dieser unzweifelhafte Grammatikfehler macht mich misstrauisch, was die Echtheit dieser Aufzeichnungen angeht (S. 284).

Jesu Antwort in leicht gekürzter Form lautete:

Der Grund, aus dem es so dasteht, ist, dass du …. deinen eigenen Ärger projizierst, was nichts mit diesen Aufzeichnungen zu tun hat. Du hast den Fehler gemacht, weil du nicht in einem liebevollen Zustand bist. Daher möchtest du, dass ich lächerlich klinge, damit du mir keine Aufmerksamkeit schenken musst (a. a. O.).

Wenn daher Schüler des Kurses nicht die positiven Wirkungen erleben, die Jesus uns in seinem Kurs »verspricht«, liegt es nicht daran, dass Ein Kurs in Wundern versagt hat. Vielmehr liegt es an ihrem unbewussten Widerstand gegenüber dem, was er tatsächlich besagt. Als Helen sich bei Jesus beklagte, dass seine Lehren ihr nicht halfen, antwortete er mit den folgenden Worten, die hier in der redigierten Form wiedergegeben werden, wie sie im publizierten Kurs stehen:

Vielleicht beklagst du dich, dieser Kurs sei nicht konkret genug für dich, um ihn verstehen und anwenden zu können. Vielleicht aber hast du auch nicht getan, was er ausdrücklich empfiehlt. Dies ist kein Kurs über das Spiel mit Ideen, sondern über ihre praktische Umsetzung (T-11.VIII.5:1-3).

Wie Cassius zu Brutus sagte:

Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge. (Shakespeare, Julius Caesar , 1. Aufzug, 2. Szene)

Oder wie Jesus so nachdrücklich am Ende von Kapitel 27 des Textbuchs äußert:

Das Geheimnis der Erlösung ist nur dies: Dass du dir dieses selber antust (T-27.VIII.10:1).

Freud war sich darüber im Klaren – und auch Jesus weist in Ein Kurs in Wundern darauf hin –, dass ein bloßes intellektuelles Verständnis der eigenen Probleme nicht genügt. Vielmehr ist es notwendig, den Widerstand gegen das Loslassen des Problems aufzudecken und anzuschauen:

In den frühesten Zeiten der analytischen Technik haben wir allerdings in intellektualistischer Denkeinstellung das Wissen des Kranken um das von ihm Vergessene hoch eingeschätzt … Es war eine schwere Enttäuschung, als der Erfolg ausblieb … Nicht einmal die Erinnerung an das verdrängte Trauma [des Patienten] wollte infolge der Mitteilung und Beschreibung desselben auftauchen … So musste man sich denn entschließen, dem Wissen an sich die ihm vorgeschriebene Bedeutung zu entziehen und den Akzent auf die Widerstände zu legen, welche das Nichtwissen seinerzeit verursacht hatten und jetzt noch bereit waren, es zu verteidigen. Das bewusste Wissen aber war gegen diese Widerstände … ohnmächtig (»Die Einleitung der Behandlung«, 1913, Ges. Werke , Bd. VIII, S. 475).

Wie schafft man den Widerstand weg? … indem man ihn errät und dem Patienten vorhält … Wenn ich Ihnen sage: Schauen Sie auf den Himmel, da ist ein Luftballon zu sehen, so werden Sie ihn auch viel leichter finden, als wenn ich Sie bloß auffordere hinaufzuschauen, ob Sie irgendetwas entdecken. Auch der Student, der die ersten Male ins Mikroskop guckt, wird vom Lehrer unterrichtet, was er sehen soll, sonst sieht er es überhaupt nicht, obwohl es da und sichtbar ist (»Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse «, 1917, Ges. Werke , Bd. XI, S. 453 f.).

Das ist der Kern dessen, was Jesus in Ein Kurs in Wundern lehrt: das Aufdecken des Ego, damit wir unsere Identifikation mit dem Ego sehen. Tatsächlich ist dieser Prozess, das Ego anzuschauen, die Essenz der Vergebung:

Die Vergebung … ist still und tut ganz ruhig gar nichts … Sie schaut nur und wartet und urteilt nicht (Ü-II.1.4:1,3).

In der folgenden bedeutenden Stelle aus dem Textbuch veranschaulicht Jesus, wie wichtig es als Voraussetzung für die Heilung ist, das Ego »zu erraten« und seinen Schülern »vorzuhalten«:

Niemand kann Illusionen entrinnen, wenn er sie nicht ansieht, denn durch Nichthinsehen werden sie geschützt … Wir sind bereit, das Denksystem des Ego genauer zu betrachten, weil wir gemeinsam die Lampe haben, die es auflösen wird, und da es dir klar ist, dass du es nicht willst, musst du bereit sein … Die »Dynamik« des Ego wird jetzt für eine Weile unsere Lektion sein, denn da du ihm Wirklichkeit verliehen hast, müssen wir erst dies anschauen, um darüber hinauszusehen. Wir werden diesen Fehler still gemeinsam aufheben und dann über ihn hinaus zur Wahrheit blicken.

Was sonst ist Heilung als die Beseitigung all dessen, was der Erkenntnis im Wege steht? Und wie sonst sind Illusionen aufzulösen außer dadurch, dass man sie geradewegs anschaut, ohne sie zu schützen? (T-11.V.1:1,3,5-6,2:1-2).

Das Ego anschauen heißt, wie gesagt, den Widerstand anschauen und begreifen, wie sehr wir unser Ego wollten und nicht Gott und was uns dieser Wunsch nach Besonderheit gekostet hat. Nur dann werden wir fähig sein, wahrhaft über unseren Widerstand hinauszugehen und den Frieden Gottes zu finden.

Schließlich sollte klar sein, dass der Prozess der Aufhebung dieses Widerstands mit der Zeit geschieht und die sanfte Geduld erfordert, die eine der Haupteigenschaften nicht nur Jesu oder des Heiligen Geistes, sondern auch der fortgeschrittenen Lehrer Gottes ist (H-4.I-A,IV,VIII). Freud erkannte dies in seiner psychoanalytischen Arbeit deutlich:

Man muss sich zunächst sagen, dass psychischer Widerstand, besonders ein seit langem konstituierter, nur langsam und schrittweise aufgelöst werden kann, und muss in Geduld warten (»Studien über Hysterie«, mit J. Breuer, 1893, Ges. Werke , Bd. I, S. 285).

Man muss dem Kranken die Zeit lassen, sich in den ihm unbekannten Widerstand zu vertiefen, ihn durchzuarbeiten … (»Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten«, 1914, Ges. Werke , Bd. X, S. 135).

Und an mehreren Stellen lässt Jesus seine Schüler wissen, dass in der Welt der Zeit der Prozess der Annahme der Sühne durch die Vergebung mit der Zeit geschehen muss aufgrund der eingebildeten Angst, ohne Ego zu leben. Die Absätze, die Kapitel 1 des Textbuchs beschließen und ursprünglich Helen Schucman und William Thetford und ihrem Studium der Aufzeichnungen galten, zeigen ganz deutlich, wie Jesus den Prozess des Studiums und der Praxis des Kurses betrachtet angesichts unserer Angst vor dem, was er uns wirklich über das Beiseitelassen unseres Ego (das Mitte l) und die Rückkehr zu Gott (das Ziel ) lehrt:

Dies ist ein Kurs in Geistesschulung. Jedes Lernen verlangt Aufmerksamkeit und Fleiß auf einer bestimmten Ebene. Einige spätere Teile dieses Kurses beruhen zu sehr auf diesen anfänglichen Abschnitten, als dass sie nicht ein sorgfältiges Studium erfordern würden. Du wirst sie auch als Vorbereitung brauchen. Ohne dies kann es sein, dass du vor dem, was noch folgt, zu viel Angst bekommst, um es konstruktiv nutzen zu können …
Eine solide Grundlage ist wegen der Verwechslung von Furcht und Ehrfurcht, die ich bereits angesprochen habe und die oft vorkommt, nötig … Einige der späteren Schritte im Kurs [beinhalten] eine direktere Annäherung an Gott selbst. Es wäre unklug, sich ohne sorgfältige Vorbereitung an diese Schritte zu machen, weil sonst Ehrfurcht mit Furcht verwechselt und die Erfahrung eher traumatisch als glückselig wird. Heilung ist letztlich von Gott. Die Mittel werden dir sorgsam erklärt. Die Offenbarung mag dir zuweilen das Ziel enthüllen, doch um es zu erreichen, sind die Mittel nötig (T-1.VII.4: 1-5; 5:1,7-11).

Bei der Behandlung der sechs Stufen in der Entwicklung von Vertrauen – eine Zusammenfassung des Wegs der Sühne – betont Jesus, wie schwierig es für Schüler ist, die letzte Stufe (das Erlangen der wirklichen Welt) zu erreichen:

Er dachte, er habe Bereitwilligkeit gelernt, doch jetzt sieht er, dass er nicht weiß, wofür die Bereitwilligkeit ist. Und jetzt muss er einen Zustand erlangen, der möglicherweise für eine lange, lange Zeit unerreichbar bleiben wird . Er muss lernen, alles Urteilen wegzulegen und nur um das zu bitten, was er in jeder Situation wirklich will (H-4.I-A.7:6-8; Kursive v. Verf.).

Wie schon Freud vor einem Jahrhundert und seither alle Analytiker und Therapeuten sollten sich auch alle Menschen auf dem spirituellen Weg darüber im Klaren sein, dass die besten Absichten der Welt nicht genug sind, um das spirituelle Ziel zu erreichen, von der Dunkelheit zu erwachen (T-18.IV.2:1-2). Notwendig ist vielmehr die Bereitwilligkeit – sanft und geduldig –, jeden Aspekt unseres Egodenksystems zu erforschen, der das Licht zu verbergen sucht (T-24.Einl.2:1-2), und insbesondere unseren Widerstand gegen ebendieses Licht. In der Einleitung zu Lektion 185 »Ich will den Frieden Gottes « äußert Jesus:

Diese Worte zu sagen ist nichts. Doch diese Worte zu meinen ist alles (Ü-I.185.1:1-2).

Ein Kurs in Wundern hilft uns glücklicherweise, den Teil unseres Geistes (den rechtgesinnten Geist ) zu entdecken und zu verstärken, der diese Worte wirklich meint, während wir gleichzeitig gelehrt werden, dass der andere Teil (der falschgesinnte Geist ) uns niemals das Glück und den Frieden bescheren wird, nach denen wir uns im tiefsten Innern sehnen. Indem wir also Jesu Aufruf Gehör schenken, den rechtgesinnten Geist statt den falschgesinnten Geist zu wählen, den Heiligen Geist statt das Ego, wird der Widerstand gegen den Verlust unseres illusorischen Selbst schließlich aufgehoben. Und wir sind frei. Und wir sind endlich frei!

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